Kudlich, Hans (1823-1917)

Bauernbefreier von Niederoesterreich

#1.jpg (61915 bytes)Hans Kudlich wurde am 25. Oktober 1823 als dritter Sohn von acht Kindern in Lobenstein, Oesterreich-Schlesien geboren. Seine Eltern waren wohlhabende aber robotpflichtige Bauer. Der Vater von Hans Kudlich spielte eine wichtige Rolle in dem Dorf, Lobenstein, als Sprecher der Bauernschaft gegenueber der Herrschaft.

Mit 11 Jahren besuchte Hans Kudlich das Troppauer Gymnasium. Dadurch brauchte er nicht an der "Sklaverei des vierzehnjaehrigen Militaerdienst" teilnehmen. Die Universitaet bereitete ihm somit in jedem Sinne einen Ausweg in die soziale Freiheit. Mit 17 Jahren erhielt er das Reifezeugnis und konnte mit Erlaubnis der Liechtensteinischen Herrschhaft in Wien Philosophie und spaeter Rechtswissenschaften studieren. Hier gewann der aufgeweckte Bauernsohn durch seinen aelteren Bruder Hermann und seine schlesischen Landsleute rasch Anschluss an liberale Kreise, besonders an den "Wiener Leseverein". Dies war der Treffpunkt fuer die liberale, 'vormaerzliche' Intelligenz samt Fabrikanten, Kaufleuten und Advokaten.

Am 13. Maerz 1848 nahm Hans Kudlich in Wien an der beruehmten Demonstration vor dem niederoesterreichischen Landhaus teil. (Heute erinnert in dessen Innenhof eine Gedenktafel an ihn.) Es war der Beginn der Maerz-Revolution und eine Initiativ-Zuendung fuer weitere Volkserhebungen in Deutschland. Da Kudlich bei der Aufloesung der Demonstration durch das Militaer einen Bajonettstich in die rechte Hand erhielt, wurde er zum Maertyrer fuer die Freiheit. Er verliess Wien um sich daheim von seiner Mutter gesundpflegen zu lassen.

Zu Hause kaum genesen, liess sich Hans Kudlich als Kandidat fuer den Wiener Reichstag aufstellen. Am 24. Juli 1848 wurde er als damals juengster Abgeordneter in den Reichstag gewaehlt. Dies war das erste frei gewaehlte Parlament der Donaumonarchie. Gleich am naechsten Tag stellte er seinen beruehmten Antrag, der ihn den Titel eines Bauernbefreiers einbrachte. Der Antrag lautete: "Die hohe Reichsversammlung moege erklaeren: Von nun an ist das Untertaenigkeitsverhaeltnis samt allen daraus entsprungenen Rechten und Pflichten aufgehoben, vorbehaltlich der Bestimmungen, ob und wie eine Entschaedigung zu leisten sei." Darauf folgte eine heftige Debatte darueber, wer die Entschaedigungen zahlen sollte. Auch wenn sich Kudlich in der Grundentlastungsfrage nicht in allen Punkten durchsetzen konnte, das Gesetz war ein Erfolg und ein grosser Schritt nach vorn. Es brachte tatsaechlich eine Befreiung der Bauern und machte sie aus herrschaftlichen Untertanen zu gleichberechtigten Staatsbuergern. Am 7. September 1848 wurde eine abgeordnete Form von Kudlichs "Bauernbefreiungsgesetz" verkuendet und am 9. September 1848 von Kaiser Ferdinand I sanktioniert.

#175 german.jpg (29499 bytes)Aus diesem Grund veranlassten 30.000 Bauern am 24. September 1848 einen Fackelzug zu Ehren Kudlichs. (Das war das erste aber leider auch das letzte Fest fuer sie.) Durch Patent von Kaiser Franz Joesph I vom 4. Maerz 1849 wurde dann die Durchfuehrung und Umsetzung des Gesetzes in die Wege geleitet. Es blieb das erste und einzige Reformwerk, das der Wiener Reichstag beschloss und das auf Dauer Bestand hatte.

Schon einen Monat nach Verabschiedung des Bauernbefreiungsgesetzes vom 7. September 1848 brach der Wiener Oktoberaufstand aus. Er fuehrte schliesslich zu einem Zusammenbruch der Revolution, zu einer Verlegung des Reichstages nach Kresmier und dann am 7. Maerz 1849 zu dessen gewaltsamer Aufloesung. Kudlich gedachte die Bauern zu mobilisieren, fuer die er um Reichstag gearbeitet und gekaempft hatte. Die Bauern hatten aber ihr Ziel, ihre Befreiung schon erreicht. Die Revolution war damit fuer sie zu Ende.

Kudlich floh von Kresmier, wie die meisten Abgeordneten der Linken, aus Oesterreich. Zuerst ging er zu seinem Bruder Josef Hermann nach Frankfurt am Main und schliesslich nach Leipzig. Dann nahm er aktiv am Aufstand in der Pfalz teil und wurde dort Mitglied der provisorischen Aufstandsregierung. Nach dessen Niederschlag fluechtete er in die Schweiz. Zweimal wurde er danach in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Einmal am 31. 10. 1851 von der Anklagekammer der Pfalz in Saarbruecken und am 10. 03. 1854 vom Landesgericht in Wien.

#227.jpg (24087 bytes)In Bern fand er Aufnahme im Haus des liberalen Professors Wilhelm Vogt, Leiter der medizinischen Klinik. Hier sattelte er dann um und studierte in Bern und Zuerich Medizin. Er hatte schon immer eine Neigung zur Medizin gehabt, gab aber dem vaeterlichen Wunsch nach Jurisprudenz zu studeieren. Im Maerz 1853 legte er sein Doktorexamen ab und noch im selben Monat heiratete er Professor Vogts Tochter Luise. Am Stichtag, dem 4. April 1853, verliess er dann mit seiner jungen Braut als Landesverwiesener die Schweiz. Die Behoerden konnten ihn nur bis zum Abschluss seiner Examina schuetzen, danach musste er das Land verlassen. Er fuhr auf einem Segelschiff nach New York und bezahlte die Ueberfahrt in dem er als Schiffsarzt arbeitete.

Eine neue Lebensepoche begann fuer ihn. Er betrat nun buchstaeblich eine 'Neue Welt' wie so viele andere "Achtundvierziger". Nach einem missglueckten Start in Greenpoint, New Jersey, zog er 1854 nach Hoboken bei New York. In diesem Staedtchen lebten damals viele Deutsche und hier wurde er ein sehr erfolgreicher Arzt. Seiner ueberaus gluecklichen Ehe mit Luise Vogt entsprossen auch 9 Kinder. Er entwickelte sich bald zu einer fuehrenden Persoenlichkeit des Deutschtums in der Stadt Hoboken und in ganz New Jersey. Er wurde Mitbegruender mehrerer deutscher Vereine (zum Beispiel des "Deutschen Klubs fuer Kunst, Wissenschaft und Geselligkeit") und Schulen. Besonders zu erwaehnen waere die "Hoboken-Akademie", eine der besten deutsch-amerikanischen Schulen seiner Zeit.

Im amerikanischen Buergerkrieg (1861-1865) ergriff er leidenschaftlich Partei fuer Abraham Lincoln, denn er hatte ja schon einmal fuer die Befreiung der Unterdrueckten gekaempft. Nach einer seiner Reden wurde er gefragt, ob er es zulassen wuerde, wenn seine Tochter einen Neger heiraten wolle. Er sagte, "Natuerlich, wenn der Neger eine anstaendige Person waere."

#232 german.jpg (24825 bytes)Als 1867 das gegen ihn verhaengte Todesurteil in Oesterreich aufgehoben wurde, kam er mit seiner Frau und seinen 9 Kindern 1872 zum ersten Mal zurueck nach Oesterreich. Obwohl er begeistert empfangen wurde, musste er bald feststellen, dass er in der Zwischenzeit doch ein Fremdling der oesterreichischen Politik geworden war. Er konnte in dem Staat nicht viel anderes sehen als das alte Regime. So schrieb er im Winter 1872-72 in Lobenstein anhand seiner Aufzeichnungen in drei Baenden seine "Rueckblicke und Erinnerungen" nieder und kehrte dann 1873 nach Amerika zurueck.

Auch in den spaeteren Jahren verfolgte er die politischen Entwicklungen in Oesterreich und Deutschland und besuchte oftmals seine oesterreichische und sudetendeutsche Heimat. Er konnte sich aber nie entscheiden, dort zu bleiben, denn er hatte die Freiheitsluft von Amerika wohl zu lange geatmet. 301german.jpg (47768 bytes)

Hans Kudlich starb ploetzlich am 11. November 1917 im Alter von 94 Jahren in Hoboken, U.S.A. Er war bei guter koerperlicher und geistiger Verfassung bis zu seinem Tode. Der einst Juengste war auch der letzte Lebende der 383 Abgeordneten des ersten Oesterreichischen Reichstages. Seine Urne und die seiner Frau wurden dann im Oktober 1925 in der Urnenhalle der Hans-Kudlich-Warte in Lobenstein feierlich beigesetzt.

Hans Kudlich wurde und wird heute noch auf vielerlei Weise geehrt. Zahlreiche Denkmaeler und Gedenkstaetten erinnern uns an ihn. Manche ehrten ihn sogar noch waehrend seiner Lebzeit: Am 21. September 1913 wurde die Hans-Kudlich-Warte in Lobenstein eingeweiht. Auch Romane, Theaterstuecke und Werke von Bildhauern und Malern erinnern an sein Lebenswerk. Joerg Kudlich, sein Urgrossneffe, und das Sudetendeutsche Archiv in Muenchen haben sogar eine Zusammenstellung seiner Denkmaeler ausgearbeitet.

Reformen sind kein Luxus! Konsequente gesellschaftliche Reformen und Innovationen waren und sind auch gerade heute Garanten fuer eine gesicherte Gegenwart und Zukkunft. Die oesterreichische Bauernbefreiung von 1848 hat auch wesentlich zur Weltgeschichte beigetragen. Somit kann Hans Kudlich eine besondere Symbolfigur fuer jede Generation sein. Das Wort Hans Kudlichs, das er am 8. August 1848 im Wiener Reichstag sprach, kann auch heute noch fuer uns gelten: "Der freie Mann allein kann der Waechter der Freiheit sein, und dewegen muesst ihr den Bauern freimachen."

 

Weitere Bilder: (Quelle jeweils aus dem Buch "Hans Kudlich und die Bauernbefreiung in Niederoesterreich")

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Wichtige Quellen:

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